Tattoos für die Seele
Doch die körperlichen Einschränkungen stellen nur einen Teil der Erkrankung dar. Die seelisch/psychischen Auswirkungen sind nicht weniger schwerwiegend: Die Behinderung bedeutet immer auch, von vielen Bereichen des normalen Lebens ausgeschlossen zu sein. Und noch schlimmer: Die Blicke der Menschen spiegeln (fast) immer wider: „Oh-Gott, der Arme! Behindert!“
Mitleid kann weh tun.
„Oh, coole Tattoos!“
Dies mag für Außenstehende völlig unbedeutend sein, für Betroffene wie Stephan ist dies jedoch eine einschneidende Veränderung. Niemand möchte nur bzw. vornehmlich als „behindert“ wahrgenommen werden. Ein „Oh, coole Tattoos!“ gibt ihm das Gefühl, ein ganz normaler Typ zu sein, dabei zu sein, als Mensch wahrgenommen zu werden.
Mehr als nur ein Tattoo
Stephan hatte für einige Jahre aufgrund seiner Krankheit (und falscher Medikamente) zudem sein Augenlicht fast vollständig verloren. Als dies wieder besser wurde, lies er sich japanische Motive stechen, die zu seiner neuen Lebenslage passen: Die Lotus-Blume als Symbol für ein neues Leben, den Koi als Glücksbringer, die Hannya-Maske die nach japanischer Mythologie über ihren Träger wacht. Zusätzlich zu dieser sehr persönlichen Bedeutung, die für ihn bis heute nicht an Kraft verloren haben, ergab sich diese ganz neue Wahrnehmung durch andere, sowohl Fremde als auch Freunde.
Und so war Stephan konsequent und hat weiter gemacht. Teils mit Motiven, die ihm etwas bedeuten, solchen, die ihm nur gefallen aber auch einigen, die mitunter verstören, wie das Exorzisten-Auge auf seinem Hinterkopf. Geld hat er dafür eigentlich nicht aber Zeit, und so ist er in den letzten Jahren immer wieder bei kurzfristigen Terminausfällen eingesprungen. Uns war es dann immer eine Freude, ihm mit einem weiteren Tattoo ein Stück mehr „Normalität“ zu verschaffen. Da geht uns das Herz auf und das ist sogar mehr Wert als Geld.